[1]FDR Presidential Library & Museum, Eleanor Roosevelt UDHR, CC BY 2.0
Vielleicht geht es Ihnen ja ähnlich wie mir?
Zunehmend beunruhigt mich der arglose Umgang unserer Mehrheitsgesellschaft mit der Digitalisierung, die sich für die meisten Menschen sehr abstrakt und letztlich kaum kontrollierbar darstellt. Unseren Alltag überwachen und steuern inzwischen zahlreiche, zunächst sehr komfortable, gefällige „Must have-Dienste“ von international agierenden Big Data-Konzernen. Diese bestimmen unser Leben und beeinflussen unsere Bildung und Forschung, unser soziales Verhalten, unsere Entscheidungen bei der Arbeit und in der Freizeit, unsere Gesundheit, all unsere Gewohnheiten. Das Ausmaß der sich mittlerweile sehr klar abzeichnenden individuellen Abhängigkeit sowie des daraus entstehenden gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Schadens ist schwer abzuschätzen, aber beängstigend real.
Wir alle, sprich die meisten Menschen, machen dabei mit; „gezwungenermaßen“. Zwar haben viele, nach anfänglich unbeschwert begeisterter Nutzung dieser schönen neuen Welt, ein diffuses schlechtes Gefühl, da ja aber „alle mitmachen“, so meinen viele, kann es wohl nicht so großes Unheil anrichten …
doch, es schadet!
Insbesondere die Dienste von GAFAM[2]GAFAM=Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft erweisen einen Bärendienst nicht obwohl, sondern weil alle sie nutzen. Nur so funktioniert die „Macht“ von Big Data: Je größer der Datenbestand, desto effizienter kann er zum finanziellen Vorteil der Big Data-Industrie auf Kosten und zum persönlichen Schaden von Individuen und der Gesellschaft missbraucht werden. Es ist nur eine Handvoll Konzerne, die aufgrund ihrer schieren Größe kaum noch von unserer Rechtsstaatlichkeit reguliert werden und damit mehr oder weniger legal und unangefochten, weil mittlerweile systemrelevant, ihre zerstörerischen Geschäfte betreibt. Warum sind diese Geschäfte zerstörerisch? Es sind nicht die vordergründig angebotenen, praktischen kostenlosen Tools. Es ist der Handel mit missbräuchlich ausgewerteten persönlichen Daten Einzelner. Das Geschäft mit unseren Gewohnheiten, unseren Lebensweisen, unseren Vorlieben, sexuellen Neigungen, politischen und weltanschaulichen Haltungen – das Geschäft mit unserem Leben. Wir haben für den Handel mit Menschen eine grauenerweckende Bezeichnung: Sklaverei. Aral Balkan beschrieb dieses Phänomen eindringlich und wie ich finde in brillanter Anschaulichkeit während seines Talks bei “The Conference” 2015. Ähnlich wie Solibre arbeitet auch er mit seiner “Small Technology Foundation” an alternativen, inklusiven und dezentralen freien Lösungsansätzen. Wir haben uns längst daran gewöhnt: Mit dem Siegeszug der globalen Silicon Valey-Digitalisierung mutierten “Nutzer” zu “Benutzten”, deren Persönlichkeitsprofile zentral und intransparent ausgewertet und ohne Einverständnis der betroffenen Menschen zu sehr viel Geld gemacht werden. Apropos “Nutzer”, Aral Balkan weist im gleichen Vortag darauf hin, dass die Bezeichnung “user” bezeichnender Weise nur noch in einem weiteren Kontext verwendet wird, nämlich bei Drogendealern, wenn sie von Abhängigen sprechen.
Aral Balkan – “Privacy, Data, Democracy” | The Conference, Malmö am 18.8.2015
Menschenrechte und Persönlichkeitsdaten
Um die Bedeutung von Big Data zu veranschaulichen, wurde oft die wie ich finde unzutreffende Bezeichnung „Öl des 21. Jahrhunderts“ bemüht. unsere persönlichen Daten sind aber kein endlich verfügbarer Rohstoff, der solange erschlossen und ausgebeutet werden kann, bis die Ressource irgendwann aufgebraucht ist und durch eine andere ersetzt wird. Nein, diese Daten sind WIR bzw. die Grundlage unserer individuellen Freiheit. 1948 wurde diese noch unter dem Eindruck des weltweit verheerenden Nationalsozialismus in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte weltweit bindend verbrieft –
für Marketing sind die Global Player nicht alternativlos
Auch unsere Werbebranche, in der wir als Designer agieren, geht in der Regel leider in der Regel den zunächst bequemeren Weg des angewandten Überwachungskapitalismus. Dem Unterschied zwischen klassischer Werbung und den neuerlich verbreiteten Methoden des „Adtech“ möchte ich an anderer Stelle gerne noch einen eigenen Artikel widmen. Ich unterstelle in den meisten Fällen keinen bösen Willen oder Kalkül. Sowohl bei vielen Entscheider:innen der Firmen/Organisationen als auch bei den mit der Umsetzung betrauten Agenturen liegt es häufig eher am mangelnden technischen Verständnis der mittlerweile sehr komplexen und sich rasant verändernden Materie. Der dynamischen Webentwicklung hinterherhinkend, wurden einst fundierte Gestalter zu den oben beschriebenen „Nutzer:innen” von „Anwendungen“. Längst schon ist der Punkt überschritten, wo die Mehrheit der Webdesigner Webtechnologien umfassend verstehen. Zumal es nicht im Interesse der Big Tech-Konzerne liegt, dass Designer:innen grundlegende technische Zusammenhänge ihrer proprietären Software begreifen. So kam es, dass überall die gleichen austauschbaren 08/15-Lösungen mithilfe der „praktischen Tools“ als sogenannte Standards umgesetzt werden. Längst scheint sie verschwunden, die einstige Vielfalt und Individualität, die uns das Internet der 90er-Jahre versprach. Zu sehr scheint das ehemals freie und grenzenlose Web nur noch von wenigen Monopolisten beherrscht, kontrolliert und zensiert zu werden. Bei genauerem Hinsehen bemerken wir auch, dass uns nur noch von Algorithmen festgelegte Timelines und unseren Netzgewohnheiten entsprechend „optimierte“ Blasen präsentiert werden. An dieser widersprechen wir von Solibre:
es gibt exzellente Alternativen und wir wollen sie nutzen
Menschen haben die Möglichkeit, sich zu entscheiden. Wir bei Solibre merken, dass parallel zum Höhenflug der Monopolisten langsam, aber stetig auch eine Gegenbewegung aufkeimt: Kleine, feine, dezentrale, aber nicht minder intelligente Konzepte haben gerade wachsenden Zulauf. Glücklicherweise existieren ja auch großartige freie und nachhaltige Alternativen. Projekte konzipiert und umgesetzt von genialen Technikern, Gestaltern und anderen Fachleuten. Kräfte, die der oben so einschüchternd beschriebenen „Macht von Big Data“ eine zumindest ebenbürtige positive „Macht der Menschen“ gegenüberstellen. Immer mehr Menschen legen wie wir bei Soolibre wieder besonderen Wert auf datensparsame Kommunikation und inklusives Marketing, auf exzellentes Design, das unser aller Privatsphäre achtet.
↑1 | FDR Presidential Library & Museum, Eleanor Roosevelt UDHR, CC BY 2.0 |
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↑2 | GAFAM=Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft |